Jason Reynolds, Sunny (Lauf-Reihe, Band 3), dtv, 2019.

Sunny ist ein Träumer und ein „weirdo“: Er schreibt Tagebuch und erlebt die Welt v.a. über Töne und Musik. Außerdem ist er Läufer: seit seinem 5. Lebensjahr gewinnt er jedes 1600m-Rennen, doch eigentlich träumt er…vom Tanzen. Rennen tut er nur, weil seine Mutter, die bei seiner Geburt gestorben ist, unbedingt mal ein Marathon gewinnen wollte und sein Vater ihm zu spüren gibt, dass er es ihr schuldig ist. Als Sunny also eines Tages mitten im Wettkampf entscheidet, mit dem Rennen aufzuhören, weiß er zwei Sachen. Erstens: er will nicht mehr laufen, zweitens: er will nicht von seinen einzigen Freunden Ghost, Patina und Lu getrennt zu werden. Gut, dass es in der Leichtathletik eine Disziplin gibt, die ein bisschen wie tanzen ist: Diskuswerfen! Dass Sunny dafür nicht dasselbe Talent hat wie fürs Rennen, muss erstmal egal sein. Und das ist es auch, denn er hat seine Freund*innen Ghost, Lu und Patina und er tut endlich etwas, das er selbst ausgewählt hat. Außerdem lernt er beim Diskuswergen etwas ganz Neues: Loslassen.
Wer wissen will, was ich meine, wenn ich sage, der Afroamerikaner Jason Reynolds gibt all seinen Figuren eine eigene Stimme, muss unbedingt Sunnylesen. Am besten auf Englisch, weil die Tagebucheinträge des jungen Langstreckenläufers voller Sprachspiele sind. Aber auf Deutsch ist es sicher auch gut! (kenn’s nur auf Englisch, dh zur Übersetzung kann ich nichts sagen.) Sunnyunterscheidet sich sowohl inhaltlich als auch förmlich von den anderen Bänden der Reihe, weil es der einzige Band ist, der in Tagebuchform verfasst ist und weil es, meiner Meinung nach, der einzige ist, der vielleicht für einige Leser*innen etwas heftig ist. Die Geschichte des hypersensiblen Einzelkindes, das ge-homeschoolt wird und allein mit seinem immer noch trauernden Vater in einer zu großen Villa wohnt, und regelmäßig darüber schreibt, dass er sich wie ein Mörder fühlt, weil seine Mutter bei seiner Geburt gestorben ist, hat mir streckenweise über längere Zeit die Kehle zugeschnürt… Doch da Sunnys nie als „traurig“ oder „deprimiert“ rüberkommt, u.a. weil das Schreiben und Träumen ihm Halt geben und da er von seinen Freunden und seiner verrückten Homeschool-Lehrerin mit den blauen Haaren sehr viel Liebe und Solidarität erfährt, bleibt dieses Beklemmungsgefühl nie für sehr lange!
Ein großartiges Buch für Kids ab 12 Jahren, die wissen, wie unglaublich wichtig gute Freund*innen sind! Und für die Sportler*innen. Und für die, die Netflixserien mögen. Und die nicht zu hypersensibel sind.
Ich liebe dieses Buch gaaanz besonders, wegen all den Sachen, die ich bei „Ghost“ schon hervorgehaben habe und
- Weil es stilistisch super interessant ist. In der Originalfassung klingen einige Passagen wie Beats von einem Hiphop-Track. (Ich weiß nicht, wie es auf Deutsch ist, aber ich gehe davon aus, dass das auch in der Übersetzung rauskommt.)
- Weil ich Sunny, wie die anderen vier Bände als Hörbuch auf Englisch gehört habe. Es wird von einem Kindheitsfreund von Jason Reynolds gelesen und bei Sunny fühlt es sich an, als würde man Musik hören. Empfehlenswert!