Nancy J. Della, Das Wort, das Bauchschmerzen macht, edition assemblage, 2014.

Vorlesestunde ist eigentlich Lukas Lieblingszeit in der Schule, doch diesmal fühlt sich alles an der Geschichte falsch an. In der Geschichte die seine Lehrerin vorliest, kommt nämlich das eklige Wort vor. Das Wort „das Schwarze Menschen klein und dumm macht“ (S.9) und Lukas Bauchschmerzen bereitet. Als das Wort dann noch im Pausenhof von einem weißen Schulkameraden aufgegriffen wird, um Lukas ghanaischer Vater zu beschimpfen, reicht es Lukas. Doch was tun, wenn die Lehrerin nicht einsieht, was an dem Wort problematisch ist? Gut, dass mindestens seine Schwarzen Eltern und Geschwister Lukas verstehen und sich mit ihm gegen den Gebrauch des Wortes einsetzen.
Die Afrodeutsche Autorin und Aktivistin Nancy J. Della schildert in diesem kurzen, illustrierten Roman auf einfache, aber prägnante Art und Weise, wie das N-wort in Kinderbücher junge Leser*innen impaktiert. Es geht um den Schaden, den das Wort anrichtet, aber auch um die Art und Weise wie diskriminierende Sprache funktioniert. Die Illustrationen überzeugen mich persönlich nicht wirklich (die Gesichter sind seltsam schattiert, so dass die Gesichtsausdrücke manchmal etwas befremdlich wirken), und man könnte auf den ersten Blick bedauern, dass die Geschichte, trotz feinfühlig ausgearbeiteten Figuren, eher aktivistisch als poetisch ist (sie dem Lesenden also keine Interpretationsfreiheit lässt), doch in einem Kontext, in dem viele Menschen noch die Präsenz des N-wortes in Kinderbüchern vehement verteidigen, ist das der einzige Weg, jedem Menschen klarzumachen, dass nostalgische Befindlichkeiten oder auch Angst vor Zensur weniger wichtig sind als der seelische Schutz von Schwarzen Kinder.
Ein empowerndes Buch für Kinder ab 6 Jahren, die schon mit dem N-wort konfrontiert wurden oder/und die sich schon Gedanken um eine gerechtere Welt machen.
Was mir an diesem Buch gefällt, ist
- dass es ein wichtiges Thema kindgerecht aufbereitet (vielleicht verstehen es ja dadurch auch einige Erwachsenen, die immer noch abwechselnd Herzinfarkte und Wutanfälle bekommen, wenn man es wagt zu behaupten, dass ihre Kinderbuchklassiker eine diskriminierende Sprache benutzen.)
- dass es, als eines der einzigen deutschsprachigen Kinderbücher, ein Problem thematisiert, das spezifisch Schwarze Kinder betrifft
- dass Lukas und seine Familie sich aktiv wehren
- dass das Buch dezidiert inklusiv ist (die Schuldirektorin und Lukas beste Freundin tragen Kopftuch, Jan hat zwei Mütter…)
- dass die Autorin ihre eigenen blindspots reflektiert und auch kein Problem hat, ihre eigenen Bücher umzuschreiben, wenn sie merkt, dass sie Menschen mit ihren Worten verletzt hat: nach Kritik wegen einer Textpassage in der ein Kind eine flapsige Bemerkung über Bücherverbrennung macht, hat die Autorin diese Passage umgeschrieben. Da könnten sich einige Verlage eine Scheibe davon abschneiden…